Noch
auf Wolke Sieben wegen des persönlichen Treffens mit Storm, schaffte ich
rasch mein Poster ins Hotel, schla ng
ein Sandwich runter und machte mich auf den Weg zur Trinity College
Chapel, wo am Abend ein Abschlußkonzert der Festwoche stattfinden
sollte. Es war sauteuer (50 Pfund das Ticket) und ich versprach mir eine
Menge davon, hoffte insgeheim, daß sich bei diesem Preis vielleicht
sogar einer der Londoner Floyds zu einem Auftritt herverirrte...
Weit
gefehlt, aber komischerweise war es mir irgendwann auch völlig egal. Der
Erlebnisfaktor dieser Veranstaltung lag ganz woanders. Einmal in der
Wahnsinns-Umgebung...Die Chapel als Teil eines riesigen
Colleges-Komplexes besteht aus einem beeindruckenden Vorraum mit
zahlreichen Mamorstatuen (darunter von Newton), in dem die üblichen
Verkaufs- und Getränkestande sowie zwei Stuhlreihen aufgebaut waren.
Es
handelte sich um Billigplätze für 15 Pfund, da man von dort zwar hören,
aber nichts sehen konnte, da der Übergang zum eigentlichen Kirchenteil
nur ein einer ziemlich schmalen Tür bestand. Und ich muß es so krass
sagen: das Interessanteste an diesem Abend war dieser Vorraum!!! Denn
hier hielten sich vor Beginn des Konzertes die Gäste bei Sekt und
Selters auf - im Hellen, so daß ich beim Warten das Gefühl kriegte, den
Floyds der 60er quasi "ins Wohnzimmer" zu sehen. Syds Schwester Rosemary
war zum Greifen nahe, und dank meiner neuen Freunde Gwen und Roger
konnte ich auch viele andere Leute aus dem damaligen Umfeld der Floyds
den Namen zuordnen, die ich aus den Floyd-Biografien kannte. Wenn sie
sich nicht getäuscht haben, waren der "Emo" da, und der Stephen Pyle,
der früher mit Syd zusammen musiziert hat, und viele andere, deren Namen
ich inzwischen schon wieder vergessen habe. Ich kam mir vor wie in einem
Film, konnte es kaum fassen, wen ich da alles sah... (hab aber niemanden
fotografiert, wäre in der Enge der Umgebung zu auffällig und
aufdringlich gewesen).
Auch
im imposanten Kirchenraum selber hatte man zusätzlich zu dem
Seiten-Gestühl in der Mitte zwei Stuhlreihen aufgebaut. Sie sind auf
meinem Foto nicht zu sehen, da ich die Kirche einen Tag früher, leer,
fotografiert habe, weil ich nicht wußte, ob es mir am nächsten Tage noch
möglich ist. In erster Reihe saß natürlich Rosemary mit ihrer Familie.
Etwa auf Höhe der achten geraden Reihe saßen wir in den seitlichen
Bänken. Eng und unbequem, so daß mir schon nach einiger Zeit mächtig die
Knie wehtaten und ich hoffte, daß das Konzert bald zu Ende geht. Denn es
war nichts anderes als das gleiche Konzert, das ich schon am Vortage im
St. Pauls Centre gesehen hatte!!!!!!!!! !!!
Für d e n Preis...ich glaube, da fühlten sich außer mir noch paar andere
etwas enttäuscht. Zumindest ging der musikalische Leiter, auch ein
ehemaliger Freund von Syd, in seinen Schlußworten kurz darauf ein,
meinte wohl, daß die Miete für die Kirche sehr hoch gewesen sei... Dann
dankte Rosemary noch den Anwesenden fürs Kommen und den Musikern für das
bewegende Konzert. Und ich muß sagen, daß es auch mir beim zweiten
Hören, ohne den anfänglichen Befremdungseffekt, mit toller Akustik und
in außergewöhnlicher Umgebung, noch wesentlich besser als beim ersten
Mal gefiel.




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Am
nächsten Tage blieben mir nur noch einige wenige Stunden, ehe ich
nach London zurück mußte. Die nutzte ich, um die beiden
Stamm-Kneipen der Floyds, das "Anchor" und das "Mills", beide
nebeneinander am Ufer der Cam gelegen, aufzusuchen. Eine
wunderschöne Ecke nahe des Queens-Colleges, direkt gegenüber der
kleinen Brücke über die Cam, die man in jedem Reiseführer über
Cambridge findet, flankiert von einer riesigen Grünanlage. Direkt
hinter der Terrasse des Anchor befindet sich eine große
Bootsanlegestelle von Stocher-Kähnen, pausenlos wollten mich ein
Werber zu einer Rundfahrt überreden. Aber ich hätte lieber das
geschlossene Anchor, in dem früher eine Jazzformation spielte, von
deren Drummer "Little Sid" sich Barrett angeblich zu seinem
Künstlernamen hat animieren lassen, von innen gesehen... Hab dann
noch paar Runden gedreht, bin zurück zum Anchor, und plötzlich
öffnet von innen jemand die Tür. Nun war ich als erste und einzige
drinne...konnte ungestört fotografieren, auch eine
Floyd-Gedächtnistafel am Eingang, wobei vieles wegen schlechter
Lichtverhältnisse nichts geworden ist. Zumindest konnte ich in einer
Ecke auf einem alten Sofa einen Kaffee und ein Stück Kuchen zu mir
nehmen (und die Serviererin hat mich auf meinen Wunsch hin dabei
noch fotografiert - also Service pur.)
Tscha, das war mein Bericht, hoffe, ich konnte Euch bißchen was von
der Atmosphäre in Cambridge herüberbringen. Bleibt der
Vollständigkeit halber nur noch zu erwähnen, daß es dort auch
musikalische Workshops, ich glaube mit Pyle, und zahlreiche
Gesprächsrunden mit Syds alten Freunden in Borders Bookshop gegeben
hat, den ich bei meinen Stadtrundgängen aber nicht mal entdeckt
habe. Und wenn, wäre ich sicher auch nicht hingegangen, da ein
"Bordertalk" mit meinen Englischkenntnisse mir mehr Zeit gestohlen
als Erkenntnisse gebracht hätte.
Venice,
5.11.2008
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