I Der
Magier
Wir vertiefen uns in die Darstellung des Bildes, atmen ruhig und
ausgeglichen und machen uns aufnahmebereit für die vielfältigen Eindrücke,
die sogleich auf uns einzuströmen beginnen.
Gleich beim ersten Anblick fällt die frappierende Ähnlichkeit des
dargestellten jungen Mannes mit David Copperfield auf. Sie mag nichts
weiter zu bedeuten haben, gleichwohl wird in Insiderkreisen heftig darüber
gestritten, ob dies eine Vorhersehung von Pamela Colman Smith gewesen sei,
oder ob der neuzeitliche Illusionist kosmetische Korrekturen habe über
sich ergehen lassen.
Über seinem Kopf schwebt ein Gebilde, wie wir es alle aus den Diskotheken
kennen, ein flirrendes Laserbild, geformt zu einer liegenden "8", die
im krassen Gegensatz zur Nummer der Karte steht. Vermutlich waren die
Laser damals noch nicht in der Lage, kompliziertere Formen zu erzeugen,
wie z.B. Schmetterlinge oder aufrechtstehende Einsen. In seiner rechten
Hand hält der Magier ein Dildo-ähnliches Gebilde, in der Literatur oft
schamhaft als "Stab" bezeichnet. Dies ist Symbol seiner Männlichkeit, wie
auch der vor ihm stehende Bierhumpen, offensichtlich erst kürzlich
geleert. Wir gehen davon aus, daß der Mann bereits den verwahrlosten
Zustand eines harten Alkoholikers erreicht hat, man beachte seine
ungenügende Kleidung und den Zustand seiner Wohnung, die in erheblichem
Maße von Unkraut überwuchert ist. (Dieses Schicksal erleiden oftmals
gerade engagierte Sucher des wahren Wissens, man denke an den Abstieg
des Dr. Faustus oder in neuerer Zeit Dr. Timothy Leary.) Mit der linken
Hand deutet der Magier auf den Boden. Offensichtlich will er uns etwas
zeigen, und die Malerin hat die Beschränktheit des zur Verf ügung
stehenden Bildes falsch eingeschätzt, sodaß uns das Objekt seiner
Aufmerksamkeit für immer verborgen bleiben muß. Vor ihm steht ein Tisch,
unschwer als Modell "Kabaliks" eines schwedischen Möbelhauses zu
erkennen, in den ein anscheinend schamanisch gebildeter, gelangweilter
Besucher indianische Symbole geritzt hat. Man beachte den gelben
Bierdeckel, dessen Symbol verrät, daß er aus der Kantine des
Atomforschungsinstituts Karlsruhe entwendet wurde. Ein immer noch
offenes Geheimnis stellt die auf dem Tisch liegende Nudelrolle dar,
aber für den Anfang soll diese kleine Einführung genügen.
© Franziskus
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