0 Der
Narr
Als humanistisch gebildete Leser haben sicher alle bemerkt,
daß wir beim Tarot die römischen Zahlen benutzen und da
will die "0" des Narren nicht so recht hineinpassen. (Nicht
ohne Grund ist die Sektion 0 immer die geschlossene Sektion eines Forums!)
Nehmen wir den Narren als eine Art Joker, der an jeder Stelle eingesetzt
werden kann.
Als
Vorlage, das erkennen ältere Leser sofort, diente Luis Trenker´s
"Der Berg ruft"; wir erkennen den Großglockner im Hintergrund
und die Kirchenspitze von Zell im Tal drunten. Der junge Mann auf dem
Bild trägt eigentlich eine heute recht übliche Kleidung:
Leggins, Oilily-Hemd, fesches Käppi, nichts besonderes also. Was
ihn als Narren auszeichnet, ist sein ungeeignetes Schuhwerk, das jedem
Rettungsdienst Dollarnoten in die Augen zaubern würde.
Ziemlich provozierend nähert er sich dem Abgrund
und wir warten mäßig gespannt darauf, wie er den nächsten
Schritt tut, wissen wir doch heute alle von den Tricks aus der Lucas-Produktion,
die solche Stunts alltäglich erscheinen lassen. Will er sich in
den Tod stürzen? Weiß er, was er tut? Vermutlich nicht -
aber wir wußten es auch nicht, als wir uns auf das Abenteuer
der Magie und Kabbala eingelassen haben.
Lassen wir ihm also seinen naiven Forscherdrang und widmen
uns den letzten Sekunden seines Anblicks.
Sein treuer Hund, eine Art Albino-Lassie, versucht ihn
zurückzuhalten. Wir können sehen, wie er ihm seine Warnungen
zuruft, vermeinen das klägliche Kläffen zu vernehmen, und
freuen uns auf die Schlußblende, wenn der Beutel des jungen Mannes
herunterfällt und die aufgeplatzte Schachtel Frolic herauslugt.
In der linken Hand hält der Narr eine Blume, und
nun erkennen wir den Grund seines nahenden Suizids. Er hat verbotenerweise
ein Edelweiß gepflückt! Das Gewissen plagt ihn, er hat bereits
mit der Welt abgeschlossen und steht außerhalb jeder Gesellschaft,
wie sein verklärtes Lächeln zeigt.
In der Divinotation bedeutet der Narr einen Zustand, den
wir nur erreichen, wenn wir einen guten schwarzen Afghan inhaliert
haben, oder wenn wir zum Geburtstag eine Flasche Jim Beam geschenkt
bekommen haben. Kurz, wir sind reichlich unzurechnungsfähig fühlen
uns leicht und beschwingt und sollten mal wieder richtig einen drauf
machen und der Gesellschaft den Finger zeigen.
© Franziskus
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