II Die
Hohepriesterin
Seid
gegrüßt, ihr Sucher des geheimen Wissens!
Nach meinem ersten Beitrag bin ich gefragt
worden, wie man mit dem Tarot spielt. Ich persönlich finde es
schwierig, beim Skat die Punkte zusammenzuzählen, aber mit zwei
gleichartigen Spielen kann man wunderschön Canastas auslegen.
Doch zuerst sollten wir die bildhafte
Sprache der Joker erlernen.
Heute geht es also weiter mit der 2. Karte
Nach der ersten Sitzung haben
wir ja alle ein wenig Erfahrung sammeln können, und jeder hat
sicher die eine oder andere selbstgedrehte Zigarette genossen. Wir sehen eine schlanke Dame, die
entspannt zwischen zwei großen Säulen sitzt. Manchmal auftauchende
Interpretationen, in Verbindung mit der Papierrolle handle es sich
um eine Darstellung der Damentoilette in der Spielbank Baden-Baden,
haben sich als unhaltbares und mutwilliges Gerücht des Porzellanherstellers
Villeroy et Boch herausgestellt.
Die Tapete, die wir im Hintergrund
sehen, deutet mit ihren großangelegten Mustern auf ein Enstehungsjahr
um 1968 hin und soll uns auf den auch in dieser Person schlummernden
revolutionären Charakter hinweisen. Die Frau trägt eine recht
ungewöhliche Kopfbedeckung. Heute ein Zeichen bestimmter Hamburger
Juristinnen, war sie zu dieser Zeit sicher als "auffällig"
zu bezeichnen. Die Mütze, besonders die abstehenden Spitzen, zeigen
uns, daß die Priesterin intime Annäherungen scheut und sich
subtil dagegen zu wehren weiß. Für besonders hartnäckige
Verehrer liegt zu ihren Füßen griffbereit eine unschwer
als klingonische Kampfsichel zu identifizierende Waffe.
Sie hält ein zusammengerolltes
Blatt in der Hand, auf dem wir die Buchstaben "TORA" erkennen
können. (Dazu drehen wir die Karte einfach herum) Wir wissen nicht,
was uns diese Zeichen sagen sollen, vermutlich handelt es sich um die
Rechnung eines Discounters wie "LEDI", "PLUS" oder
"ALDI", was uns zeigt, daß auch Priesterinnen, selbst
hohe, ganz profan Markstücke für den Einkaufswagen suchen
müssen.
Erwähnenswert sind noch
die beiden Säulen zu beiden Seiten der Karte. Hier wird viel von
Dualität und Gegensätzen geschwafelt, doch wir können
einfach sagen, daß verschieden Dinge oftmals das gleiche sind,
auch wenn sie uns nicht auf den ersten Blick so erscheinen mögen.
Das Auge ist irritiert von dem farblichen Gegensatz, doch letztendlich
sind es beides schlichte Säulen. Vielleicht war die weiße
mal schwarz und die schwarze mal weiß, wer weiß das heute
schon. Auch Michael Jackson hat die Farbe gewechselt und singt immer
noch so schlecht wie früher.
Wer ganz neugierig ist, mag
sich fragen, was die Buchstaben "B" und "J" zu
bedeuten haben. Irgendjemand meint, daß sie für "Boaz"
und "Jakin" ständen. Und die Besserwisser, die es ja
überall gibt, weisen daraufhin, daß die Säulen des
Tempels zu Jerusalem diese Namen getragen hätten. Aber, mal ganz
unter uns: Erinnert das nicht fatal an diese publikumswirksamen Abenteuer
des Indiana Jones? Womöglich glauben wir auch noch an den Heiligen
Gral oder Truhen mit Bundesschatzbriefen! Nein, nein, die Erklärung
ist viel einfacher! Als Agent des KGB hat A. E. Waite uns frühzeitig
auf Boris Jelzin hinweisen wollen, nichts anderes steckt dahinter.
© Franziskus
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