Liebe Kinder!
Da laufe ich durch meine Heimatstadt und erblicke auf einmal ein Plakat mit
der Aufschrift:
Morgen! Der Kasper kommt im Zirkuszelt!
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Es ist wirklich unerhört, daß mittlerweile auch die
Marionettenkünstler auf die banale Ebene der menschlichen Niederungen
herabsteigen.
War der Kasper nicht in unserer Jugendzeit noch ein Garant für Recht
und Ordnung, für das Gute in der Welt? Generationen von Deutschen haben
ihn mit in ihre kindliche Prägung aufgenommen, und manch ein Blüm
wird an die Großmutter denken, wenn er eine Rentenreform angeht,
unzählige Liebhaber des Dorfpolizisten fahren heute in schicken
Streifenwagen durch unsere Städte und suchen nach dem Krokodil!
Wieviel mag Kasper dem armen Gretchen dafür geboten haben, damit
es sich für solche erniedrigenden Darstellungen bereit erklärte?
Muß es ihr jetzt nicht wie Hohn in den Ohren klingen, wenn die Kinder
im Chor rufen "Vorsicht! Er kommt! Er kommt!" Vermutlich auch noch ohne
irgendeinen Schutz, so wie man diesen leichtsinnigen Burschen kennt.
Nun, nach den ersten Vorläufern "Urmel spielt im Schoß" und
"Jim Knopf und die wilde Dreizehnjährige" konnte man ja nichts anderes
erwarten. Seien wir ehrlich: Die Tendenz zu nicht gesellschaftskonformen
Praktiken schlummerte schon immer in der Ausdrucksweise der Kasper-Figur.
Nicht nur in sozialer Hinsicht!
Erkennen wir erst jetzt die Bestrafung der Hexe als die sadomasochistische
Handlung, die sie immer schon gewesen ist?
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Was trieb den Seppl dazu, mit seinem Freund so oft in den Wald zu gehen?
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Und warum verheimlicht uns die Großmutter ihr Verhältnis mit
dem Förster?
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Wozu diente die Kaffeemühle in Wirklichkeit?
Seid ihr noch alle da?
Fr@nziskus
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